Sicherlich wissen Sie auch, dass es schier unzählig viele Theorien zur Personalentwicklung, zum Recruiting, zur Personalauswahl sowie zur Leistungsbewertung gibt. Aber ein Faktor wird dabei meist höchst stiefmütterlich behandelt – und zwar die Kompetenzen eines Menschen. Deswegen haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Ihnen diesen wichtigen Bereich der Organisationspsychologie näher zu bringen. Dieser Beitrag soll Ihnen den Kompetenzbegriff sowie das unternehmerische Kompetenzmodell näherbringen. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie dann mehr aus der Praxis und zwar auch, wie Sie bei Ihrer Personalwahl die Kompetenzen eines Bewerbers aufspüren können.
Der Kompetenzbegriff. Annäherung an eine Definition
Wer sich dem Kompetenzbegriff näher möchte, der sucht zunächst nach einer Definition und stößt bei dieser Suche auf zwei Antworten.
- Der „erste“ Kompetenzbegriff ist der, der Kompetenz als Äquivalent von Fähigkeiten, Vermögen und Sachverstand
- Der „zweite“ Kompetenzbegriff ist der, der Kompetenz als Zuständigkeit oder Befugnis
Wer einmal in ein gemischtes Publikum fragen würde, würde sicherlich noch viele weitere Definitionen als Antwort erhalten. Da Kompetenzen nur schwer messbar sind, tun einige Theoretiker den Kompetenzbegriff schnell ab und fordern stattdessen, sich auf Fertigkeiten, Fähigkeiten oder Anforderungsmerkmale zu fokussieren. Dabei werden Fertigkeiten und Fähigkeiten von den Bewerbern eingebracht und Anforderungsmerkmale von den Unternehmen formuliert und postuliert.
Zur Abgrenzung der Begrifflichkeiten
Im folgenden Absatz werden Kompetenzen als Set an Fähigkeiten begriffen. Um dieser Definition auch inhaltlich folgen zu können, ist es wichtig, die in der Praxis genutzten Begrifflichkeiten klar abzugrenzen:
- Wissen (Knowledge) wird definiert als die Kenntnisse und Informationen, über die ein Mensch verfügt.
- Fertigkeiten (Skills) werden definiert als an-erlerntes Wissen, für das eine spezifische Vorbereitung oder Schulung nötig war.
- Fähigkeiten (Abilities) werden definiert als angeborene Eigenschaften, die nötig sind, um Aufgaben zu bewältigen, die aber nur schwer erlernbar sind.
Hinzu können „andere Merkmale“ genannt werden, die meist Interessen, Motivation und Eigenschaften der Persönlichkeit bezeichnen.
Kompetenzen als Set an Fähigkeiten. Auf dem Weg zum Kompetenzmodell
Wer den Kompetenzbegriff synonym zu Fertigkeiten verwenden will, vergibt sich die größere Dimension, denn Kompetenz sind ein ganzes Set an persönlichen, methodischen, fachlichen, sozial-kommunikativen und aktivitäts- und umsetzungsorientierten Fähigkeiten. Und dieses Set an Fähigkeiten wird einerseits gespeist durch die Inhalte, die erlernt werden, und die Erfahrungen, die gemacht werden. Der Nutzen von Kompetenzen wird in diesem Zusammenhang so definiert: Mit einem Set an Kompetenzen im Persönlichkeits-Rucksack werden berufliche Situationen bewältigt, für die es (noch) keine vorgefertigte Lösung gibt.
Ein Beispiel:
Nicht jeder, der einen Führerschein hat, ist zum Taxi-Fahrer geboren. Denn um Taxi-Fahrer zu werden, braucht es ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen (Fachkompetenz) und die Fähigkeit, mit Menschen umgehen zu können (u.a. Kommunikationsfähigkeit, Toleranz).
Die Arbeit mit einem Kompetenzmodell birgt auch Gefahren
Wenn eine Person seine ihm innewohnende Kompetenz nicht zeigt, muss das noch lange nicht bedeuten, dass er einen Mangel an eben dieser Kompetenz hat. Deswegen ist es besonders schwierig, Eignungsverfahren zu konzipieren, mit denen Sie Ihren Bewerbern auf den Zahn fühlen können, um das zu Tage zu fördern, was sie vielleicht verstecken. Sprechen Sie uns an. Wir haben ein entsprechendes Fragenportfolio in petto, mit dem Sie via Online-Verfahren schnell und einfach etwas zu den Hidden Competences Ihrer Bewerber erfahren. Warum Bewerber ihre eigenen Kompetenzen nicht deutlich herauskehren, kann mitunter mehrere Gründe haben.
So können
- mangelnde Motivation,
- erschwerte Bedingungen in der Interaktion
- und erschwerte situative Randbedingungen
ein Grund dafür sein, warum sich Ihr Mitarbeiter buchstäblich unter Wert verkauft.
Unternehmenspraxis: die Definition von Anforderungsmerkmalen
Auch wenn dieser Schritt zunächst abstrakt klingt, so geht es doch bei der Auswahl der Mitarbeiter auch darum, die zu finden, die inhaltlich und menschlich der Aufgabe im Betrieb gewachsen sind. Was im folgenden Abschnitt mit „Kompetenzmodell“ beschrieben wird, ist in der Praxis ein Set an Anforderungen:
- Aufgabenanforderungen werden von Betrieben aufgestellt, um sicherzustellen, dass der Bewerber fähig ist, die ihm gestellten Aufgaben zu erledigen.
- Verhaltensanforderungen werden von Betrieben aufgestellt, um sicherzustellen, dass der Bewerber mit Blick auf sein Verhalten die ihm gestellten Aufgaben bewerkstelligen kann.
- Eigenschaftsanforderungen werden von Betrieben aufgestellt, um sicherzustellen, dass die Grundintention des Bewerbers der Aufgabenstellung entgegenkommt.
Achtung:
Anforderungsmerkmale dürfen nicht mit Kompetenzen gleichgesetzt werden. Kompetenzen fungieren meist als Sammelbegriffe oder Kategorien. Auch als direkte Beschreibung der relevanten Verhaltensweisen können Kompetenzen beschrieben werden.
Kompetenzbegriff vs. Kompetenzmodell!?
Der Kompetenzbegriff ist ein Versuch der Definition, der bisher im Fokus des Artikels stand. Was im Sprachgebrauch von Unternehmen gebräuchlicher ist, ist jedoch das Kompetenzmodell, das in der Praxis ein ähnliches Dogma darstellen sollte wie etwa die Corporate Identity eines Unternehmens.
Ein Beispiel:
Das Kompetenzmodell eines Betriebs ist meist das, was zum ständig wiederkehrenden Part in der Stellenausschreibung gehört. Teamfähigkeit ist einer dieser Klassiker, die zum Standard-Repertoire in der Stellenanzeige werden. Zuverlässigkeit ist eine weitere Kompetenz aus der Kategorie der sozial-kommunikativen Kompetenzen, die zur Grundeigenschaft eines Mitarbeiters zählen sollten – und damit fest im Kompetenzmodell verankert sind.
Darüber hinaus gibt es – je nach der Stelle, die es zu besetzen gilt, bzw. je nach Unternehmen – natürlich auch ganz spezielle Anforderungen:
- Interkulturelle Kompetenz ist in international agierenden Unternehmen wichtig.
- Verhandlungsgeschick ist wichtig für Vertriebsmitarbeiter oder Führungspersönlichkeiten.
- Die Fähigkeit zu delegieren ist ein Must-Have in der Führungsriege.
Praxis-Tipps für die Aufstellung und Umsetzung eines Kompetenzmodells
Wenn Sie bereits ein festgelegtes Kompetenzmodell haben, können wir Ihnen darauf abgestimmt einen Eignungstest entwerfen, der speziell auf Ihr betriebliches Kompetenzmodell abgestimmt ist. Je nach Stelle, die Sie aktuell besetzen müssen, können flexibel Bausteine hinzugenommen werden.
In der Literatur wird unterschieden zwischen
- Single-Job-Modellen, die nur das Kompetenzset für einen bestimmten Arbeitsplatz ausweisen,
- One-Size-Fits-All-Modellen, die für viele Jobs und viele Unternehmen passen,
- und generischen Modellen, die in Personalabteilungen von Unternehmensgruppen Anwendung finden.
Zudem kann bei der Erstellung eines Kompetenzmodells stärker auf persönliche Eigenschaften wertgelegt werden oder auf Kompetenzen, die aufgabenbezogen sind. Wer die Aufgabe hat, ein komplexes Kompetenzmodell zu erstellen, wird mehrere inhaltliche Ebenen befüllen:
- Das Kompetenzcluster, sprich: die Schublade mit wichtigen Überbegriffen.
- Die betriebsrelevanten Kompetenzen, sprich: das Handeln im Sinne des Unternehmens.
- Die psychologischen Merkmale, sprich: die kognitive Fähigkeiten.
- Das beobachtbare Verhalten, sprich: das Auftreten.
Wer sich die Mühe macht, ein Kompetenzmodell im Unternehmen zu initiieren, der legt dabei einen wichtigen Grundstein für die Personalarbeit. Dabei geht es nicht nur um die Personalsuche und die Personalauswahl. Auch Leistungsbeurteilungen, Personalentwicklung sowie etwaige Anreizsysteme können auf Basis von Kompetenzmodellen leichter initiiert werden, denn hier gibt es eine gemeinsame Basis.
Bildquelle: photon_photo/fotolia.com